Reviews



SÜDWEST PRESSE, 16 June 2016

HEILBRONNER STIMME, 4 December 2015

HEILBRONNER STIMME, 21 February 2013

Mattthias Strassmueller, Bristol, 20 April 2009

Prof, Kevin Austin, Concordia University of Montreal, on the music of TRIONYS, 24. 12. 2008

SÜDWEST PRESSE, 25 April 2006

Zeitschrift für Kultur in Würzburg October 2005

NEUE ZEITSCHRIFT FÜR MUSIK, Vol 2 / 2003

SÜDWEST PRESSE, 31 January 2003

Sirp / Tallinn, 22 March 2002

Heilbronner Stimme, 27 August 2001

Neue Zeitschrift für Musik, Vol 6 / 2000

Sächsische Zeitung, 6 December 1999

SÜDWEST-PRESSE, 27 November 1999

Lüdenscheider Nachrichten, November 1999

Delire actuel, August 1999

JAZZ PODIUM, November 1998

Südkurier, 17. März 1998

Luther College, Decorah, April 1997

University of Nebraska at Omaha, April 1997

The Glasgow Herald, 1 March 1997

Press & Journal, Aberdeen, 27 February 1997

The University of Vermont, 12 November 1996

Reutlinger Generalanzeiger, 17. October 1996

SÜDWEST PRESSE, 15 Oktober 1996

Computer Music Journal, Volume 20, Number 1 (Spring 1996)

Badische Neueste Nachrichten, 8 December 1995

Huddersfield Examiner, 22 November 1993

la Repubblica, 29 October 1993

The Scotsman, 10 March 1993







SÜDWEST PRESSE, 16. Juni 2016

Ermstalbote

Ein Alleluja für den Amandusfall
Rainer Bürck komponiert die Musik für ein besonderes Ereignis im Uracher Jubiläumsjahr

Wasser, Glocken und ein Alleluja fügen sich in Rainer Bürcks Amandusfall-Komposition zu einem Kunstwerk. Wie es klingt, ist im Oktober zu hören.

REGINE LOTTERER

Bad Urach. Der Wasserfall zählt ebenso unbestreitbar zu den Wahrzeichen der alten Grafenstadt wie die im 15. Jahrhundert erbaute Stiftskirche St. Amandus. Beide fügen sich am 3. und 4. Oktober zu einem noch nie gesehenen künstlerischen Ensemble zusammen. Das Werk entsteht als Gemeinschaftsprojekt des Leipziger Lichtkünstlers Jürgen Meier und des Bad Uracher Komponisten Rainer Bürck. 16 Lautsprecher verteilen an den beiden Abenden die Klänge, während eine Projektion des Wasserfalls aus dem Turm der Kirche in Richtung Graf-Eberhard-Platz rauscht.

Noch hat Bürck sein musikalisches Werk nicht ganz abgeschlossen, wie er berichtet. Bevor er es endgültig absegnet, lässt er es gemeinhin einige Wochen liegen, um dann erneut zu prüfen, ob sich alles wie gewünscht in Eines fügt. Für sein etwa 20 Minuten langes Stück zum Stadtjubiläum hat er unter anderem Glockenklänge verarbeitet. Dazu gesellen sich Töne, die er an den verschiedenen Gewässern, die durch die Kurstadt fließen, aufnahm. Außerdem findet ein gregorianisches Alleluja Eingang: Zusammen bilden sie sozusagen die Themen seiner Amandusfall-Komposition.

Viele seiner Werke verfasst und arrangiert er am PC, der Computer avancierte zwischenzeitlich zu Bürcks wichtigstem Arbeitsgerät. Die notwendigen Programme, die es ihm erlauben, seine Musik wachsen zu lassen, entwickelt er in der Regel selbst. Was elektronisch entsteht, lässt sich unter dem Begriff akusmatisch zusammenfassen. Damit findet sich Bürck in der Tradition jener Pioniere wieder, die nach den Erschütterungen des Zweiten Weltkriegs und der Barbarei der Nazizeit neue Wege in der Musik gingen.

Karlheinz Stockhausen, John Cage, Pierre Schaeffer oder Iannis Xenakis sind prominente Vertreter jener Richtung der Kunstmusik, die sich einst vor allem des Tonbands als wichtigem Hilfsmittel bediente. Das Gerät half, Klänge einzufangen und bot dem Komponisten die Chance, diese nach seinen Vorstellungen zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Auch synthetisch erzeugte Klänge fügten sich auf diese Weise in das Oeuvre ein.

Auf ein solches Werk reagierte die Zuhörerschaft mitunter irritiert, wie Rainer Bürck schildert. Das mag daran gelegen haben, dass sich nicht das für ein Konzert Gewohnte und Erwartete abspielte: Auf der Bühne saß kein Ensemble mehr, die Musik kam stattdessen aus den Lautsprechern, kurz, es fehlen vertraute Muster: „Aber“, fragt Bürck, „wer sagt überhaupt, dass Musik einen Takt, einen Puls haben muss?“ Die Bildende Kunst, findet er, sei hier schon viel weiter, abstrakte Werke seien längst selbstverständlich. Wiewohl auch die neue Form der Musik zwischenzeitlich etabliert und anerkannt sei, wie die vielen internationalen Festivals bewiesen.

Ohnehin versteht Bürck den nostalgisch-rückwärts gewandten Blick mancher Hörer nicht: „Bis ins 19. Jahrhundert wurde immer neue Musik aufgeführt.“ Jeder bedeutende Musiker, sagt Bürck, „hat stets an vorderster Front komponiert.“ Entsprechend empört gaben sich auch schon in vergangenen Jahrhunderten manche Kritiker. In Konzerten des Urahnen der modernen Musik, Arnold Schönberg, kam es mitunter sogar zu Schlägereien, so sehr echauffierte sich das Publikum seinerzeit über die Zwölftonmusik. „Da wäre ich gerne dabei gewesen“, sagt Rainer Bürck, „damals hat Musik bewegt.“

Jene Musik des gebürtigen Wieners Schönberg entwickelte der Deutsche Karlheinz Stockhausen nach 1945 weiter, die Dissonanz emanzipierte sich, wie Bürck es umschreibt. Der Uracher Bürck interessierte sich schon in jungen Jahren für die Welt der Klänge, als er zum ersten Mal den gewohnten Kosmos der althergebrachten Tonsetzer verlassen durfte, schien es ihm, als könne er endlich durchatmen: „Es war, als habe jemand ein Fenster geöffnet.“ An der akusmatischen Musik schätzt Bürck die Möglichkeit, jedes Detail exakt fixieren zu können. Früher, sagt er, gab der Künstler seine Komposition ab, das Orchester probte anschließend und nahm somit Einfluss auf den Klang. Den Faktor Mensch weiß Rainer Bürck gleichwohl zu schätzen: „Ein Interpret kann zum kongenialen Mitschöpfer eines Werks werden.“ Außerdem mag Bürck Stücke, die dem Zufall Raum lassen, Livemusik etwa, die sich der Improvisation hingibt, gehört ebenfalls zu seinem künstlerischen Portfolio. Gleichzeitig verfasst er auch Stücke für Instrumente mit Live-Elektronik, wofür er auch ganz klassisch Noten schreibt.

Was er zu schaffen im Stande ist, wollte Rainer Bürck den Kurstädtern schon zur Jahrtausendwende präsentieren. Sein Gedanke war, von den Höhen über Bad Urach Klänge ins Tal zu senden. Die Pläne zerschlugen sich indessen. Doch nun, im Jubiläumsjahr, kam Urachs Kulturreferent Thomas Braun auf ihn zu und fragte an, ob Bürck sich für das Projekt Amandusfall erwärmen könne. Konnte er.






HEILBRONNER STIMME, 4. Dezember 2015

Neue Klanglandschaften: "Perspektiven"-Konzert im Deutschhof

Heilbronn Trifft sich eine Handvoll Männer: Sie sprechen über Sinustöne und Frequenzen, von Spektren, die sich mal dicht, mal weniger dicht darstellen. Und von Klanggruppen und Tongemischen, die sich wiederum in den verschiedensten Verschmelzungsgraden präsentieren.

Jetzt könnte man auf die Idee kommen, dass es hier um einen Plausch unter Physikern geht: Gelegentlich handelt es sich aber auch um Komponisten, die sich in den Gefilden der elektronischen Musik umtun.In einem "Perspektiven"-Konzert des Kulturrings Heilbronn hatten die zwei Dutzend Zuhörer nun die seltene Gelegenheit, einen Eindruck zu gewinnen, wie diese mal analogen, mal digitalen Klanglandschaften entstehen: durch angewandte Physik, so die kurze Antwort. Die künstlerische Intention indes ist einfacher vermittelbar.

Nun wird nicht alltzu viel gesprochen im Deutschhof-Foyer der Städtischen Museen, die Musikassemblagen sollen für sich stehen. Doch drei Komponisten sind anwesend: Lothar Heinle (1965), seit 2010 Leiter der "Perspektiven"-Konzerte, präsentier seine Komposition "Traumflächen gekörnt", beinahe transparente Klanglandschaften, in denen er Musiken eingelagert hat: Erinnerungsfragmente, die auftauchen und verschwinden.

Mit Harald Muenz ist ein Schüler von Hans Ulrich Humpert (1940-2010) anwesend, letzterer gilt neben Karlheinz Stockhausen als einer der Pioniere der elektronischen Musik. War Humperts "Etüde über Tongemische" in ihrer Abstraktion recht unzugänglich, so zeigt sich der in London lehrende Muenz (1965) ungleich offener: Seine "Zwiegefühle", eine radiophone Sprachlandschaft für Helmut Lachenmann, auch bei Lachenmann ging er zwischen 1994 und 1997 ein und aus, ist eine Materialschichtung. Fünf Ebenen lässt er sprechen, darunter Bachs "Invention" d-moll, Wortfetzen aus einem Interview und Momente aus einem Stück von Lachenmann. Rainer Bürck (1953) präsentiert eine Arbeit, die ursprünglich als Freiluft-Klanginstallation in seiner Heimatstadt Bad Urach vorgesehen war.

Als Klangmaler versteht sich Bürck, der sich mit Klangmaterialien wie dem Geläut einer Kirche oder gregorianischen Gesängen auseinandersetzt. Mit einem kräftigen "Alleluja" geht der Abend dann auch seinem Ende entgegen - ganz ohne ein abstraktes Gespräch über Sinustöne und Frequenzen.






HEILBRONNER STIMME, 2. April 2013

Wenn ein Klangtraum in Erfüllung geht

Elektronische Musik in der Kilianskirche

Von Michaela Adick

Heilbronn Es ist nur ein Buchstabe, doch wie es manchmal so ist: Dieser kleine Unterschied hat es in sich. Weit ist er gewesen, der Weg vom zunächst unkonkreten Klangtraum in den ganz konkreten Klangraum. Lothar Heinle, Kurator der Heilbronner Perspektiven-Konzerte, hat nun den Schritt von den Städtischen Museen in die Kilianskirche gesucht.

Harter Stoff Vier Arbeiten aus der elektronischen Musik hat Lothar Heinle dazu ausgesucht, vier Arbeiten, die den langen (Passions-)Weg dokumentieren sollen, der, wie der Titel dieser außergewöhnlichen Stunde der Kirchenmusik andeutet, "...vom Dunkel ins Licht" führt. Mit einem harten Stoff konfrontiert Heinle zunächst den Zuhörer, einer wie er betont "schattenhaften" Arbeit, die Rainer Bürck in der Esslinger Frauenkirche aufgenommen hat.
Klänge und Geräusche, wie man sie sonst nicht von einer Orgel erwartet, vereinen sich in "Des Ombres de la Nuit", einer Arbeit von höchster Suggestions- und Sprengkraft, die an einen filmischen Soundtrack erinnern. Zugänglicher ist die Arbeit von Gerard Pape, der sich in seiner meditativ anmutenden Mozart-Hommage mit dessen "Maurerischen Trauermusik" beschäftigt.

Echo-Effekte Das Thema war festgezurrt: Pape verfremdet es durch Computer-Transformationen, das Prinzip der Zeitdehnung oder Echo-Effekte. Auch Bernfried Pröve interessiert sich für die Grenzen synthetischer und natürlicher Klänge. Was ist was, fragt sich der Zuhörer in seinem Intermezzo "aufsteigenmd, sich bewegen". Mit der Uraufführung von "...zum Licht" aus dem Klangfundus von Heinle endet der Abend. Die Stationen der Passion finden in seiner Collage eine Entsprechung und Gedanken zum Zyklus "Atemwende" von Paul Celan. Lange hallen diese Impressionen nach.






HEILBRONNER STIMME, 21. Februar 2013

Kolumbus und die Wege zum Glück

Perspektiven-Konzert im Zeichen elektronischer Musik

Von Michaela Adick

Heilbronn Ob man wirklich gleich von Schuld sprechen muss? Oh doch. Schlitzohrig wie er ist, nimmt Rainer Bürck das große Wort in den Mund. Und ob Mozart schuld war, dass er hier und jetzt in den Städtischen Museen sitzt und über seine Musik reden muss. Mozart war nicht allein verantwortlich, immerhin. Auch Bach und Beethoven hatten ihren Anteil daran. Wenn sie nicht gar so tot, der Musikunterricht nicht gar so museal gewesen wäre: Was hätte nicht alles aus ihm werden können. Doch so sah sich Rainer Bürck herausgefordert. Er würde selbst komponieren und eine neue Klangsprache in die Musikliteratur einbringen.

Metallklänge In einem Perspektiven-Konzert des Kulturrings Heilbronn, das der elektronischen Musik gewidmet war, präsentierte der in Bad Urach lebende Komponist seine "Metallophonia", die, man höre und staune, auf Metallklängen von Backblechen und Becken basiert. Grund genug für Lothar Heinle, Kurator der Musikreihe für Neue Musik, Rainer Bürck nicht nur zu einem Gespräch zu bitten, sondern ihn auch ein wenig herauszuforderrn.
"Heavy Metal bekommt bei Ihnen eine ganz andere Bedeutung", scherzt Heinle. Bürck lässt sich nicht lange bitten, erklärt mit Engelsgeduld seine "Metallophonia. Das Bild von Kolumbus beschwört er herauf, der ja auch nicht so genau wusste, wohin er segelte. "Auch ich fange irgendwo an. Und lande dann irgendwann, irgendwo an einem unbekannten Ort."

Hörerlebnisse Bürck erzählt, wie er die Klänge digital aufnimmt, wie er sie mit einem Roland S-760 Sampler bearbeitet, die Klänge in einem grafischen Programm sortiert. Die Zuhörer mischen sich ein, sprechen von ihren Hörerlebnissen. Gruselig sei seine "Metallophonia", ja geheimnisvoll. Rainer Bürck, der elektroakustische Musik in Nürnberg studierte, sieht sich bestätigt und einverstanden. "Technik ist ja kein Selbstzweck."






Mattthias Strassmueller, Bristol, 20 April 2009


Trionys' mix of acoustic and electronic instruments is a really exciting live-experience. They work with a range of tools, combining MIDI equipment and labtops, pre-composed samples and processed live-sound. I saw Trionys twice, once at the Victoria Rooms, performing a rehearsed composition, and two days later at The Cube, where they played an improvised set. Both gigs were equally engaging, capturing the audience with a convincingly balanced sonic world, and a an astonishing feel for improvised structures.

www.ents24.com/web/contributions.html?pagetype=artist&pageid=117474

www.crackerjack.co.uk/bristol/events/trionys/victoria-rooms-music





Prof. Kevin Austin, Concordia Unversity of Montreal, writes on the music of TRIONYS (24 December 2008):


And ... this year I bought your CDs from John Oliver & Earsay. As you may know, when it comes to ea, I am not an easy person to please – I find 90% of what I hear not worth finishing, and only about 1 piece in 20 worth hearing again,

I buy CDs, listen once and put them in the office CD library. 

However, your CD still sits on my desk. I must have listened to it half a dozen times (very very unusual), each time going back expecting it to be the  last time I would listen; this has not been the case!

This is remarkable music making. I am aware of the amount of time and concentration required to make these pieces work, breath and live, and you and the group have accomplished this amazingly well.

You are all to be congratulated on the excellence of your ideas and realization of them.






SÜDWEST-PRESSE, 25 April 2006

KONZERT / Bürck-Casserley-Graeter-Trio in Münsingen
Rede und Gegenrede


Von der Vervielfachung des Klangs: Am Sonntag demonstrierte das Bürck-Casserley-Graeter-Trio die Kunst der freien Improvisation in der Münsinger Zehntscheuer.

MARION SCHRADE

MÜNSINGEN Zerbrechliche Kristalle klirren auf den obersten Saiten des Klaviers. Roland Graeter lässt sein Cello in höchster Lage zirpen wie eine Grille. Gleichzeitig tritt er in einen intimen Dialog mit seinem Instrument: Aus dem Urgrund gutturaler Laute jenseits sprachlicher Ordnung wächst das Wort hervor, das Geräusch verwandelt sich mit dem Anschwellen der Stimme in Klang. Lawrence Casserley reproduziert, potenziert und verfremdet die unmittelbare Artikulation der Instrumente und der menschlichen Stimme an seinem selbstentwickelten Signal Processing Instrument im Moment der Erklingens.
 
Rainer Bürck, Roland Graeter und Lawrence Casserley suchen nach Möglichkeiten der Kommunikation und des aufeinander Reagierens - jenseits der konventionellen Tonsprache. Im Mittelpunkt steht nicht der koordinierte Schönklang, sondern die spontane Interaktion.
 

Den traditionellen Instrumenten Klavier und Violoncello stehen die Möglichkeiten modernster Technik gegenüber, die das Ureigenste der Musik aufheben. Denn die Flüchtigkeit der Tonkunst, ihr Verschwinden im Moment des Erklingens, wird durch die elektronische Konservierung des Klangs überwunden.
 
"Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit", um es mit Walter Benjamin zu sagen, ist beliebig wiederholbar geworden. Und doch begnügen sich die drei Musiker nicht mit der bloßen Reproduktion, die etwa ein herkömmliche Aufnahme bietet. Denn Lawrence Casserley bereitet die instrumentalen und vokalen Improvisationen von Rainer Bürck und Roland Graeter in Realzeit am Computer auf. Elektronische, sphärische Klänge verwandeln das einst Eigene in ein Fremdes, mit dem Bürck und Graeter erneut konfrontiert werden - und zu weiteren Improvisationen jenseits thematischer oder harmonischer Bindungen ansetzen.
 
Auf diese Weise gehen Ausgangspunkt und Transformation eine untrennbare Verbindung ein, die zur Keimzelle wiederum neuer Möglichkeiten musikalischer Artikulation wird. Dabei finden die Musiker eine Sprache, die sich einerseits tradierter Codes bedient: Das Klavier perlt bisweilen in virtuosen Läufen, Roland Graeter streicht sein Cello mit dem Bogen.
 
Spontane Interaktion
 
Doch neben das Bekannte tritt das Fremde: Die Instrumentalisten bedienen sich avantgardistischer Mittel, wie sie etwa von John Cage bekannt sind. Die Klaviersaiten etwa werden, ganz ohne den Umweg über die Tastenmechanik, unmittelbar von den Händen des Spielers selbst gezupft.
 
Überhaupt ist es jene extreme Unmittelbarkeit, die den Reiz der freien Improvisationen ausmacht. Frei von jeglichen Bindungen - Harmonik, Themenbildung oder die zeitliche Gebundenheit - treten die Musiker in einen Dialog ein, der in seiner Spontaneität und der Reaktionsmöglichkeit der einzelnen Beteiligten der sprachlichen Kommunikation weit näher steht als dem traditionellen Musizieren nach Noten.
 
Rede und Gegenrede, unendlich vervielfacht und verfremdet durch elektronische Mittel bis hin zur geballten Klangkonzentration größtmöglichster Dichte: Ein lohnenswertes musikalisches Abenteuer, auf das sich in der Münsinger Zehntscheuer bedauerlicherweise nur wenige, dafür aber tief beeindruckte Zuhörer einließen.








nummer - Zeitschrift für Kultur in Würzburg und anderswo

18. Oktober – Galerie Professorium, Würzburg

Rainer Bürck und Roland Graeter treffen sich von Zeit zu Zeit auf Bühnen, in Galerien, in Kunstvereinen, um ihre Variante von improvisierter Musik vorzustellen. Überall dort, wo genügend Offenheit herrscht, sich auf 40 Minuten vom Alltag zu verabschieden. Wenn die finanziellen Mittel fehlen, drückt Rainer Bürck zähneknirschend beide Augen zu und beweist seine flüchtige Kunst, wie hier im Professorium Anfang Oktober, auch schon mal auf einem E-Piano statt an einem Flügel. Roland Graeter hat es da etwas einfacher: Sein Cello und seine Stimme kann er überallhin mitnehmen.
Selbst mit Abstand fällt es schwer, etwas über diese Musik zu schreiben. Sie zieht trotz ihrer extatischen Schrägheit in Bann, weil sie echt zu sein scheint, weil sie glauben macht, daß sie wirklich in diesem Moment erfunden wurde. Sie bewegt sich im Schwebezustand zwischen einer Virtuosität, die vielleicht eher vom Pianisten herrührt, und einer archaischen Emotionalität, die vor allem durch die onomatopoetischen Gesänge, Laute und Geräusche Graeters evoziert werden: Wenn er seine Stimme mit dem Celloklang mischt, wenn er mit Instrument und Stimme unabhängige melodiöse Bruchstücke produziert, glaubt man, es mit zwei Persönlichkeiten zu tun zu haben.
Im dicht verzahnten Duo mit Rainer Bürck entsteht aber dennoch ein stringenter, musikalischer Block. Erstaunlich gut spüren die Musiker, wenn es für sie und für das Publikum zu anstrengend wird, und wechseln dann zu wundervoll lakonischen, fast banalen Phasen. Ab und zu eine unvermittelte Geste Graeters, mit der Greif- oder der Bogenhand, wie wenn diese sagen wollte: Wenn das jetzt zu meditativ sein sollte, nehmen Sie’s leicht, nehmen sie überhaupt diese ganze Musikperformance nicht zu ernst. Erst wenn Sie auch darüber lachen können, haben sie etwas von diesem Marathon begriffen …
Und wenn Bürck sich damit amüsiert, leise Andeutungen seiner Stockhausenkenntnis miteinzuflechten, so tut er das, weil er rein musikalisch bleiben will. Sonst würde er vielleicht, zur Verwirrung aller, ins Publikum rezitieren: »Tief drinnen ist’s krumm« … Graeter hat es angeblich bei einer Musikperformance schon getan. [wdw]





SÜDWEST-PRESSE, 23 October 2004

JAZZ & KLASSIK TAGE / Im Tübinger Pfleghof-Saal
Durch Reduktion wachsen
Das Trio Bürck-Förster-Bürck verzichtet auf Ordnungsprinzipien

Sperrig, spontan und voller disharmonischer Schrägheit: Rainer und Martin Bürck sowie Anton Förster ließen ihrer Fantasie beim Auftritt im Pfleghof freien Lauf.

TÜBINGEN. Vielleicht haben sie irgendwann an einem Tisch gesessen und darauf nach und nach ausgebreitet, was sie hatten. Dann haben sie den Tisch leer geräumt, haben alles noch einmal zur Hand genommen und genau überlegt, ob sie das auch haben wollten. Dabei blieb nur wenig übrig. Dann haben sie sich an die Arbeit gemacht.

Diese Szene hat es vermutlich in der Realität nie gegeben, aber sie wäre symptomatisch für die musikalische Vorgehensweise dieses Trios: die Chance, durch Reduktion zu wachsen und seine Fähigkeiten nach eigenen Vorstellungen zu komplettieren. Anton Förster und die Brüder Martin und Rainer Bürck kommen zu ihrem Konzert so auf die Bühne, als seien sie gerade von diesem Tisch aufgestanden. Auf der Bühne ist nur das, was sie brauchen, ein Klavier, ein einfaches Schlagzeug mit einigen verspielt wirkenden Accessoires, zwei E-Gitarren. Keines der Konzerte dieses mittlerweile schon enorm langlebigen frei improvisierenden Trios erinnert an etwas, das man woanders schon gehört hätte. Man bemerkt vom ersten Augenblick an die hochentwickelte Tugend des Weglassens und stellt fest, welch große Lebensarbeit eingegangen ist in die Beherrschung der Instrumente und im Falle von Rainer Bürck auch in die Entwicklung von Spieltechniken.

Die Gruppe um den Bad Uracher Pianisten integriert sowohl freejazzige, experimentelle und elektronische, aus der Neuen Musik bekannte, Strukturen als auch polyrhythmische offene Elemente in ihren musikalischen Versuchsaufbau. Dazu gesellen sich freie Ausdrucksformen der internationalen Avantgarde von eruptiven Klängen bis zu kollektiven Improvisationen. Das Zusammenspiel wirkt gleichermaßen unvorbereitet und kompakt, überlegt und spontan zugleich, und es produziert eine ganz eigene, soghafte Ereigniskette und -dichte.

Klang-Anarchisten

Zu Anfang arbeiten sie sich eine Zeit lang an Kürzeln ab, was wie eine gemeinsame Strategie der Vermeidung wirkt: so, als würde bei jeder längeren Phrase sofort die Gefahr entstehen, ins Anklingenlassen von Bekanntem abzugleiten, und das wäre für die drei schwäbischen Klang-Anarchisten gewiss eine falsche Weichenstellung. So bröckeln sie auf drei Klangebenen ein Patchwork zusammen, während sie, sich abwechselnd vielsagende Blicke zuwerfend, einander die Seite zuwenden.

In der leeren Fläche zwischen ihnen entsteht das, worauf sie sich während des Konzerts beziehen, nirgends sonst. Auch während der Duo-Passagen und der unbegleiteten Soli scheint es dort etwas zu geben, was den Spielprozess beeinflusst und worauf man sich verlassen kann. So wagt man sich jedes Mal ein Stück weiter, und Rainer Bürcks von ungezügelter Improvisationslust geprägte Soli auf dem Piano markieren in der dramaturgischen Gipfelregion des Konzerts, wie weit man dabei kommen kann.

Beeindruckend auch der kompromisslose Verzicht auf übliche und vereinfachende Ordnungsprinzipien, wie eingängige Melodien, metrische Gliederung oder gar das Einhalten einer Taktstruktur. Dennoch gelingt es den Musikern, dies alles zu einem Klangerlebnis zu formen, bei dem jeder einzelne Ton klar herauszuhören ist. Bedürfnisse, etwa der Zuhörer, werden freilich nur bedingt befriedigt

Jürgen Spiess







SÜDWEST-PRESSE, 31 January 2003

Wolken, Wirbel, Eruptionen - Klänge reisen durch die Zeit

Die Gruppe "Trionys" um den Bad Uracher Rainer Bürck tritt im Sudhaus Tübingen auf

Ihr Sound schwebt irgendwo zwischen Neuer Musik und Noise. Klänge wie Wolken, Wirbel, Eruptionen. Die Gruppe "Trionys" spielt am Sonntag im Sudhaus auf.

Mit derlei Musik ist es immer so eine Sache. Sie forscht im Neuland zwischen Klassik und Rock, zwischen akustisch und elektroisch, zwischen Notation und Improvisation. Und weil sie sich ohne Umschweife als experimentell begreift, befürchten viele "schwere Kost". Stimmt nicht unbedingt. Denn alles, was man bei der Gruppe "Trionys" zum Hören braucht, sind "offene Ohren", sagt Rainer Bürck.

Bürcks Credo: "Wir wollen Musik machen, die sich durchs Hören unmittelbar erschließen lässt." Nehmen wir "Vector alpha", das neueste, auf CD erschienene Opus von "Trionys" (wir berichteten), das im Mittelpunkt des Konzerts am Sonntag im Tübinger Sudhaus stehen wird.

"Vector alpha" ist ein Klang-Trip, eine 13-teilige, gut einstündige Suite mit einer festgelegten "Dramaturgie". Klänge, die sich in ständiger Veränderung zu Strudeln, Wirbeln und Eruptionen formen. Zu Flächen, Fluchten und Horizonten. Musik, die flüstert und kreischt, raunt und dröhnt. Kein Wunder, denn im programmatischen Namen der Gruppe "Trionys" steckt ja auch ein dionysischer, rauschhaft-ekstatischer Aspekt. Zu der Trio-Formation gehört neben Rainer Bürck (Keyboards) auch dessen Bruder Martin (Gongs, Percussion) und Günter Marx (Violine), von Haus aus Konzertmeister der Dortmunder Oper. Beim Konzert im Sudhaus ist noch die Flötistin Miriam Arnold dabei, die in Saarbrücken studiert und im Bundesjugendorchester mitwirkt: Sie wird das Konzert mit Rainer Bürcks preisgekrönter elektroakustischer Komposition "Flautando" eröffnen. Der 49-jährige Bürck ist auf der internationalen Avantgarde-Szene als Komponist und Interpret gefragt. Erst kürzlich unternahm "Trionys", Gast bei der "International Computer Music Conference", eine Skandinavien- und England-Tournee. Im Herbst ist ein Auftritt in Estland gebucht, bei einem Neutöner-Festival a la Donaueschingen.

Klänge, so Rainer Bürck, seien für ihn "Material", ähnlich wie Farben für den Maler. Musik ist bei "Trionys" ein Klangwandlungsprozess - ohne Rhythmus und ohne Melodie im engeren Sinne. So gesehen, produziert das Ensemble vergleichsweise "abstrakte" Musik". Die Elektronik dient hierbei zur "Erweiterung der akustischen Möglichkeiten". Zur Herstellung unspielbarer Violintöne etwa, oder zur Kreation unrealisierbar schneller Tempi auf dem Piano.

Sinnlich erfahrbar

Dennoch, zum Wahrnehmen dieser Musik braucht's nicht, wie bei einem Großteil Neuer Musik inzwischen üblich, ein 132-seitiges Programmheft von Edmund Husserl bis Peter Sloterdijk.

Der "Trionys"-Sound, so Bürck, ist immer in eine "unmittelbar nachvollziehbare Dramaturgie" eingebunden. Denn die Gruppe will keine autistisch tönenden Computerspielchen vorführen, sondern "sinnlich" erfahrbare Musik machen.

Otto Paul Burkhardt








Sirp / Tallinn, 22 March 2002

17. märtsil mängis Rotermanni soolalaos Nyyd Ensemble'i logo all soolokava flötist Mihkel Peäske.....Kogu kava rosinaks olid kaks kõlafaktuuriga peibutavat teost. Sakslase Rainer Bürcki teoses "Flautando" (1997/8) töötles live-flöötipartiid arvutiprogramm. Tekkivad kiired graatsilised kordusemustrid kõlasid ajuti nagu vale kiirusega mängitud algminimalism. Saksamaa ameeriklase Brent McCall i "Blaulicht" (1983; "Vilkur") flöödile, löökpillidele ja lindile tekitas erinevaid korduvstruktuure, mängitades eredaid valguse- ja värviillusioone.
Mõlema teose muusikat käivitasid sünesteetiline kõlataju ja tehnoloogia võimalused, jättes traditsioonilise n.-ö "hingestatud" intoneerimiskultuuri ja seeläbi ka solisti personaalsuse parasjagu varju... Kõigel on oma hind.

Evi Arujärv






Heilbronner Stimme, 27. August 2001

In den Klängen der Sulm versunken

Toben und Plätschern, an- und abschwellendes Brausen: Die Sulm beherrscht die Szenerie, schneidet sich in das Bewusstsein der Menschen. Und das ist auch das Ziel der Klanginstallation in Obersulm. Diese bereicherte am Wochenende die Aktionstage "Tausend Quellen - Ein Fluss" im Neckar-Einzugsgebiet.

Zwischen Willsbach und Sülzbach liegt am Ufer der Sulm das große Wiesengelände, ein grünes Meer frisch gemähten Grases. Inseln aus gruppierten Stühlen geben dem Auge Halt und den Besuchern der Klanginstallation die Möglichkeit, im Sitzen zu hören. Am Ufer ist eine leistungsfähige Lautsprecheranlage aufgebaut. Auf einem kleinen Podest, direkt neben dem schmalen Flüsschen, steht einsam ein Piano.

"Anfänglich wirkt es fremd und laut, aber mit geschlossenen Augen kann man sich total versenken - traumhaft". Die Notiz eines Besuchers im Gästebuch spricht vielen aus dem Herzen. Entspannt lassen sie sich von der Komposition aus den Geräuschen der Sulm berieseln. Manchmal ist nur ein zartes Plätschern zu hören, dann donnert Meeresbrandung. Männer und Frauen haben es sich im Gras bequem gemacht, geben es auf, gegen den Sog der Klänge anzurudern.

Der international bekannte Komponist Rainer Bürck aus Bad Urach hat die Aufgabe übernommen, der verzagten Stimme der Sulm Volumen zu verleihen. Er zeichnete im Vorfeld die Geräusche des Baches auf, bearbeitete sie und komponierte ein dreistündiges Klangerlebnis. Jetzt sitzt er mitten auf der Wiese an einem Tisch, auf dem Computer, CD-Player und Mischpulte stehen. "Vier Wochen habe ich an der Komposition gearbeitet, extra ein Computerprogramm geschrieben", sagt Bürck. Mit dem Ergebnis ist er sehr zufrieden. Die Installation wirke wie gewünscht.

Als Postkartenmotiv präsentiert sich inzwischen die Sonne. Der glutrote Ball beginnt am Horizont zu versinken. Robert Rühle setzt sich an das Piano und beginnt zu spielen. Der Obersulmer Musiker tritt mit der Bürckschen Komposition in Dialog, die Töne des Flügels mischen sich unter die Wasserklänge, mal zurückhaltend, mal dominierend. Als Rühle sein Spiel beendet hat, regt sich zunächst nichts. Die Zuhörer müssen sich erst wieder freischwimmen. Doch dann gibt es reichlich Applaus für Komponist und Pianist.

Begeistert von der Resonanz auf die Klanginstallation ist Helmut Hornung von der Obersulmer Agend-Gruppe "Sulm als Grünes Band der Gemeinde" Sie hat das Projekt initiiert und verwirklicht - mit Unterstützung von Gemeinde und Sponsoren.

Reto Bosch






Neue Zeitschrift für Musik, Vol 6
November/Dezember 2000
Schott Musik International, Mainz

RAINER BÜRCK
Without Fear

Rainer Bürck, Elektronik;
Günter Marx, Violine;
Miriam Arnold, Flöte
earsay es 99001


Der Pianist und Komponist Rainer Bürck hat sich in den vergangenen Jahren in erster Linie auf elektroakustische Musik konzentriert. Dabei greift er meist auf vorhandenes Klangmaterial zurück und bearbeitet es anschließend für seine Zwecke. Seine Hommage a S ist eine freie Fantasie über eine bekannte Klaviersonate Domenico Scarlattis. Das Material bilden hier unterschiedlich stark verfremdete Klavierklänge. Inmitten des polyphonen Geflechts der Stimmen klingen immer wieder die vertrauten Läufe der Scarlatti-Sonate an. Des Ombres de la Nuit , ebenfalls ein reines Tonbandstück, basiert auf zuvor in der Esslinger Frauenkirche aufgenommenen Orgelklängen, die Bürck als äußerst dynamisches und expressives Tableau gestaltet. ...ohne Schrecken, das Werk, das der CD ihren Namen gab, ist die Umsetzung eines Gedichts von Peter Härtling, das Bürck zu einer fesselnden Klangreise inspiriert hat, die freilich ein wenig an Karlheinz Stockhausens Gesang der Jünglinge erinnert. Alle Werke auf dieser CD sind dramaturgisch und klanglich höchst abwechslungsreich und gekonnt gearbeitet und laden ein zu einem Streifzug durch dieses gelungene Kapitel akustischer Kunst.

Martin Demmler






Sächsische Zeitung, 6 December 1999

Aufbrüche - Musik der Gegenwart

Neuartige Hör- und Seherlebnisse bei Werken von Karlheinz Stockhausen
und Rainer Bürck

Ein für hiesige Verhältnisse seltenes Ereignis fand am Sonnabend im Saal des Sorbischen Museums statt. Denn der künstlerische Leiter der diesjährigen Bautzener Kammerkonzert - Reihe, Clemens Kowollik, präsentierte diesmal unter dem Titel "Aufbrüche" ausschließlich Gegenwartsmusik. Schon im Treppenhaus wurden die zumeist jüngeren Besucher durch ein "Klangcontinuum" darauf eingestimmt.

Eröffnet wurde das Konzert mit der Tonband-Komposition "Improvisation PCV" von Rainer Bürck aus dem Jahr 1997. Diese ging aus der Zusammenarbeit und dem Projekt "Improvisationen für Klavier, Cello und Stimme" mit dem Cellisten/Vokalisten Roland Graeter hervor. Danach folgte - erstmalig in Bautzen - mit dem "Klavierstück X" von Karlheinz Stockhausen das einzige Werk eines, zudem renommierten, "Klassikers" der Moderne, das außer den Kompositionen des Pianisten Bürck in diesem Konzert zur Aufführung gelangte. Dabei kamen vor allem die Flageolett-Klänge mit den beabsichtigten "subharmonischen Resonanzen", die gleichzeitige Verbindung kurzer Staccato-Anschläge und das leise Weiterklingen gut zur Geltung. Allerdings stellte die "Bearbeitung" des Klaviers durch Rainer Bürck für manchen Besucher ein völlig neuartiges Seh- und Hörerlebnis dar.

Danach folgte "Flautando für Flöte und Live-Elektronik" (1998) von Rainer Bürck, exzellent ausgeführt von Miriam Arnold. Höchst erstaunliche Klangcollagen strömten auf die Zuhörer ein. In der Komposition verwandelten Midi-Controller das Spiel der Interpretin in Daten. Diese wurden in einem speziellen Computerprogramm simultan mehrschichtig bearbeitet. Das ermöglichte der Interpretin, durch ihr Spiel vielschichtige Klangabläufe zu kontrollieren und so komplexe, quasi polyphone Musik hervorzubringen. Zum vorhergehenden Stück hatte dieses einen fast meditativen Charakter.

Nach der Pause wurde eine weitere Tonbandkomposition, "...ohne Schrecken" (1998) von Rainer Bürck, eingespielt. Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, in einem Konzert Werke ohne agierende Künstler zu erleben. Vielleicht ist das aber nur die Vorwegnahme künftiger Realitäten. Daran schloß sich mit "STRINGendo für Violine und Live-Eektronik" (1995) erneut ein Werk von Bürck an. Wie schon im dritten Stück des Abends hatte auch hier der Interpret - Günter Marx - mit dem spontanen Reagieren und mit der Art der Tonerzeugung wesentlichen Einfluss auf die elektronische Verfremdung bzw. Umwandlung, wobei die Interpretation eine gewisse Aleatorik von vornherein mit einschloss. Den Abschluss des Abends bildete eine freie Improvisation für Violine und Klavier, die ein besänftigendes Gefühl nachklingen ließ.

Merko Solta-Scholze







SÜDWEST PRESSE, 27. November 1999

Portrait: Produziert im Ermstal, erschienen in Kanada: "Without Fear"
Ohne Schrecken - Neuland erkunden

Der Bad Uracher Komponist und Pianist Rainer Bürck: Preise, neue CD und Millenium-Projekt

Konzerte in Rio, Radiosendungen in Perth, Gigs in Kansas City: Rainer Bürck aus Bad Urach hat sich als Komponist und Pianist längst international einen Namen gemacht. Seine neue CD "Without Fear" erschien beim kanadischen Label "earsay" - ein Stück darauf ("Flautando") bekam jetzt Preise bei Wettbewerben in Prag und Budapest.

Bad Urach. Das Ganze ging Schlag auf Schlag. Zwei Preise bei zwei renommierten Elektroakustik-Wettbewerben. Am 21. November erhielt Rainer Bürck die Nachricht, dass seine Komposition "Flautando" - eine digital verfremdete Klangstudie für Flöte solo - bei der Prager Konkurrenz "Musica Nova '99" den ersten Preis gewonnen hat. "The decision is final", schrieb der Jury-Vorsitzende Rudolf Ruzicka.

Und gestern kam dann - mit der Anrede "I am pleased to inform you" - die zweite gute Nachricht. Justament mit demselben Stück ergatterte Bürck auch noch den zweiten Preis beim "Ear '99"-Wettbewerb in Budapest. "Congratulations", unterzeichnete Judith Toth, Studioleiterin beim ungarischen Radio - und das mit drei Ausrufezeichen. Denn ein erster Preis wurde gar nicht vergeben.

Kann also durchaus sein, dass Bürck in nächster Zeit eine kleine Osteuropa-Reise unternehmen wird, denn am 5. Dezember erwartet man ihn zur Preisverleihung in Budapest, am 10. Dezember in Prag.

Als Pianist und Komponist ist Rainer Bürck seit Jahren ein gefragter Rundfunkinterpret und Gast bei den einschlägigen Festivals für zeitgenössische Musik. "Beyond the physical scope" hieß seine erste Solo-CD 1995, was er näherungsweise mit "jenseits der Spielbarkeit" übersetzt. Damals sei es ihm darum gegangen, die "Klangwelt des Instruments digital zu erweitern". Auch mit seiner jüngsten Solo-CD "Without Fear" stößt Bürck, der in Stuttgart und Nürnberg Klavier, Komposition und elektronische Musik studiert hat, in musikalische Grenzbereiche vor.

Etwa in "Hommage a S... pour S...": Zugrunde liegt dieser Komposition eine Aufnahme der Scarlatti-Sonate K 259, eingespielt von Bürcks Schülerin Sarah Köster. Und was Bürck mit diesem Musik-"Material" nun anstellt, könnte man mit der Branchen-Vokabel "Dekonstruktion" bezeichnen. Man kann aber auch einfach reinhören und auf assoziative Entdeckungsreise gehen: Staccato-Wirbel, ausgerastete Kadenzen, verwehende und wieder neu aufwallende nebelschwadenartige Klangwolken. Scarlatti pur eigentlich - aber umgedacht und per Computer umkomponiert zu einem völlig neuen und fulminant- dramaturgisch ausgeklügelten Ganzen. Bürck hat eigens dazu eine "designing software" entwickelt - mit Filterung, Ring-Modulation, Frequenz-, Tondauer-Änderungen, übrigens auch mit "Zufallsoperatoren".

Oder "Des Ombres de la Nuit": Ein furioser Klangtrip mit Orgelsounds, die spät nachts in der Esslinger Frauenkirche mit dem reputierten Interpreten Christoph Bossert aufgenommen wurden. Bürck portraitiert die Königin der Instrumente aus allen denkbaren ungewöhnlichen Perspektiven: Windgeräusche, gespenstisch klappernde Mechanik, gewaltige Orkanböen im Plenum, diabolisches Glitzern der Mixturen, knarrende Basstrompeten, seufzende Flötenregister, verschwimmende Glockentöne. Und ein bisschen vermittelt die Komposition auch die gruselig-nächtliche Atmosphäre bei der Aufnahme-Session in der Kirche.

Schließlich "Ohne Schrecken" - ein meditatives 13-Minuten-Opus, das Texte von Peter Härtling ("Engelleben"), Khalil Gibran ("Söhne und Töchter des Lebens") und Heraklit vearbeitet. Sphärische Chorpassagen, traumartig schwebende Stimmentexturen - ein surrealer Klang-Kosmos zwischen Weltchaos und Utopie.

Kein Wunder, dass Bürcks CD sich auch wacker in den Charts des kanadischen Rundfunks (CFRC-FM Kingston) gehalten hat: Zwischen Juli und September stand "Without Fear" stets in den Top 15, am Ende sogar auf Platz 2.

Schade nur, dass ein Lieblings-Projekt Bürcks für Bad Urach nun nicht zustande kommt: Für die Jahrtausendwende-Nacht plante er eine gigantische Klanginstallation - die Stadt sollte von drei Punkten aus (Hanner Felsen, Michelskäppele, Eichhalde) beschallt werden - ein vielversprechender Millenium-Act, gerade gut genug für die Musikstadt Bad Urach. Der Gemeinderat diskutierte das Projekt zwar durchaus positiv. Doch dann lief die Zeit davon - und das von Bürck für Urach vorgesehene Mammut-Lautsprecher-Equipment war nun schon anderweitig vergeben.

Otto Paul Burkhardt






Lüdenscheider Nachrichten, 3. November 1999
MM::99 präsentierte im Kulturhaus Musik für Menschen und Machinen
Matinee-Konzerte mit familiärem Charakter und Faszination


Lüdenscheid. Mit Kompositionen von 1995 und 1905 gastierte am Sonntag wieder die Reihe "MM::99" im Kulturhaus. Aus der Reibungswärme von Alt und Neu schien der gemeinsame Funke der Inspiration geschlagen zu sein: In allen Werken von 95 gab die Auseinandersetzung mit Vorgefundenem Anstoß zur Komposition.....

Zu hören war ein Gespräch zweier Komponisten über ihre Musik, dessen Innigkeit sich unmittelbar mitteilte. Auch der Komponist von "STRINGendo" für Violine und Computer war bei dem Konzert dabei und verdeutlichte seine Idee: Elektronik ermöglicht einem Sologeiger polyphonales Spiel. Rainer Bürck als Komponist und Programmierer bewies dabei Sensibilität für Mensch und Maschine, denn der Geiger Günter Marx verschwand nicht hinter der Technik, sondern durfte und sollte mitgestalten.






Delire actuel, 31 August 1999

RAINER BÜRCK / Without Fear (earsay productions # es99001)

Vancouver infanted a new electroacoustic record label. I just discovered earsay productions (no caps), which started its activities in May 1997. With recordings by Andrew Czink and John Oliver (the two directors of the label) and artists such as Susan Fryberg and Hildegarde Westerkamp in its roaster, earsay added earlier this year a remarquable contribution titled Without Fear by Rainer Bürck, a German composer totally unknown here.

Without Fear gathers six pieces that can be split into three tendencies.

In the first tendency, Bürck works with pre-existent music deconstructed, transformed, processed and reassembled to create something totally new. The primary material for "Hommage à S... pour S..." is a Scarlatti sonata. "Improvisation PCV" came to life from a live recording by Bürck and Roland Graeter as the two were improvising. The results are interesting, mostly in the second case. Tendency no. 2 has Bürck composing for solo instrumentist and live electronics. Bürck has conceived a software that "dresses up" the performance of the soloist through many variables, some with random values, some determined. "STRINGendo" showcases violonist Günter Marx; "Flautando" has Miriam Arnold on flute. "STRINGendo" is quite impressive. The sound textures emanating from the violin are often impossible to recognize and the work's dynamic range is a direct hit in the solar plexus. Finally, the two other pieces belong to a more standard or "pure" electroacoustics tendency. "...ohne Schrecken" is inhabited by a meditative climate well fitting for this CD closer. But the piece-de-resistance on Without Fear is without a doubt "Des ombres de la nuit" ("Of shadows of the night"). Composed using church organ sounds recorded in the middle of the night, this work offers fourteen minutes of torturing anguish during which very quiet passages announce tremendous sound clashes from this infernal instrument. A masterpiece of anthological quality. And a scary one too!

Without Fear is a very strong electroacoustics record, well-tempered, where all tracks have something to offer. The evocative strength of "Des ombres de la nuit" on its own is worth finding this record and listening to it.


copyright (c) 1999 by François Couture
Producer of Delire actuel
CFLX, Sherbrooke, Quebec, CANADA






JAZZ PODIUM, November 1998
Festival Frei Improvisierter Musik Dresden

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge könnte man auf das Festival Frei Improvisierter Musik 1998 zurückblicken, das nun schon zum wiederholten Male in der Blauen Fabrik in Dresden stattfand... Dicht, abenteuerlich, expressiv und sensibel - und damit sind wir bei dem lachenden Auge - improvisierte das Duo Hartmut Dorschner, sax, und Rainer Bürck, p. Daß sich Dorschner offenbar von der Dominanz seines großen Anregers Dietmar Diesner gelöst hat, konnte der Saxophonist in letzter Zeit immer wieder beeindruckend unter Beweis stellen... Mit dem Pianisten Rainer Bürck schuf er ein dichtgewebtes Band pianistisch-saxophonischer Interaktionen, wobei Bürcks Ausdrucksskala von impressionistisch-romatizistisch bis herb-spröde expressionistisch reichte.






Südkurier, 17. März 1998
Welturaufführung in Ravensburg

...Nicht mehr so klar ausmachbare Töne bringt Rainer Bürck bei seiner "Tonbandmusik". Bürck studierte neben Klavier und Komposition auch elektronische Musik in Nürnberg und komponierte in den vergangenen Jahren vor allem elektronische Werke für Tonband, wovon er zwei Stücke mitbrachte. Einmal "Metallophonia", dem ausschließlich Metallklänge zugrunde liegen. Dabei hört man das Traktieren mit Bestecken, Backblechen, Cymbeln und anderem mehr.

Eine Welturaufführung krönte den Abend mit Live-Elektronik: Rainer Bürck komponierte für die junge Ravensburger Flötistin Miriam Arnold das Stück "Flautando für Flöte und Computer".

Bei dieser Live-Aufführung brachte Miriam Arnold polyphone Musik hervor, indem sie ihre eigenen Töne mit Hilfe einer komplizierten Computertechnik (Voice-to-Midi Interface) zu neuen und komplexen Klangereignissen umwandelte. Dabei spielte sie auch zuvor aufgenommene Passagen mit herein, kombinierte Live-Töne mit gespeicherten Passagen. Man war gleichermaßen erstaunt über ihr souveränes Spiel und die gewandte Handhabung der technischen Möglichkeiten.

Franz Josef Lay






Luther College, Decorah, April 1997

I am writing to most heartily recommend Rainer Bürck as a speaker, composer, and performer. In the spring of 1997, I hosted Mr. Bürck here at Luther College as he made a tour around the United States with violinist Günter Marx. Mr. Bürck lectured my music theory classes on the music of Stockhausen, and presented a concert comprised of his own compositions for tape, both solo and with violin, and Stockhausen's "Klavierstück X".

Every aspect of Mr. Bürck's visit was of the highest caliber. His performance of the Stockhausen was stunning, and the lecture about the piece in my class, delivered in flawless English, was excellent. It was invaluable for my students to hear Mr. Bürck's comments on Stockhausen, of course, but more valuable was the degree to which he brought to their attention a keen perspective on the shape of new music itself. Numerous opportunities then existed for me to later highlight his points in class or contrast his statements with their pre-existing conceptions.

The electro-acoustic compositions performed on the evening concert were all fully engaging, well-composed, and of a rugged aesthetic not frequently encountered in the United States. I found the treatment of sound materials highly sophisticated, and the musical fabric generally dense but simultaneously logically and transparently shaped. My only regret related to Mr. Bürck's visit is that we did not have time to schedule a lecture to give him an opportunity to demonstrate the software he wrote which generated the musical structures.

Thus I would recommend that anyone considering a concert, lecture, or composition seminar by Mr. Bürck not hesitate to engage his talents, but indeed hurry so as not to miss the opportunity.

John Morrison
Assistant Professor of Music
Director, Presser Electronic Music Studio






University of Nebraska at Omaha, April 1997

Ken Bales, Professor

Rainer Bürck and Günter Marx gave a presentation and a recital at the University of Omaha that were outstanding. The presentation included a wonderful "hands-on" session that helped explain the concepts and music to our students in a manner that was easy to understand and accessible. Mr. Bürck's use of MIDI processing and stochastic compositional algorithms was explained clearly and with a good sense of humor and spirit, despite some technical problems that were based on our equipment - these problems had nothing to do with the presenters or the equipment they brought.

The evening concert was a joy. Each composition demonstrated the greatest attention to detail and professionalism. Mr. Bürck's performance of the Stockhausen was a real treat. The difficult Klavierstück X, which is rarely heard in the United States, was executed with intense concentration and conviction. His playing was technically flawless and aesthetically enlightening. The tape pieces demonstrated Mr. Bürck's abilities as a composer, which are daunting. Further, Mr. Marx's performances on the violin showcase his abilities as a consummate musician. The overall effort of the concert was memorable, and all who attended were impressed.

I would not hesitate to recommend a similar program and, given the chance, would enjoy repeating it on our campus.






The Glasgow Herald, 1 March 1997

Bürck-Graeter-Casserley Trio, Reid Hall, Edinburgh

by Kenny Mathieson

Improvisation has always played its part in music, but the particular kind of improvised music performed by this trio has its roots in the sixties. It is an intermingling of many elements. It is a music that has never been fashionable, and attracts a small audience. Its practitioners have a commitment to a genre where the rewards are by necessity self-generating, and come from purity of creative effort rather than anything more material. The listener has to make efforts for this music to work, beginning with setting aside pre-delictions toward such fundamentals as sustained melody, harmonic structures, and rhythmic pulse. They must enter a world where randomness plays a major role, and where the developing music is pushed and pulled by the spark of ideas generated within the moment-to-moment interaction of the players. The trio's sound canvas was made up of Rainer Bürck's piano, Roland Graeter's voice and cello, and Lawrence Casserley's real time manipulation of elements plucked from the sounds they produce, and transformed on his IRCAM Signal Processing Workstation, sometimes as a gentle colouration, sometimes as an enveloping force. The changing music employed shifts in colour, texture, touch, dynamics, and techniques. If the results were not uniformly absorbing, they were never dull, either.






Press & Journal, Aberdeen, 27 February 1997

Blend of two styles produces perfect harmony

Two of Aberdeen's principal educational establishments had music on offer yesterday - music as different as it is possible to be. At lunchtime in the Elphinstone Hall, the University String Ensemble were taken in hand by members of the Yggdrasil Quartet for performance of Vivaldi's Violin Concerto in A minor and Grieg's Holberg Suite. Cellist Per Nystrom took over as conductor, Henrik Peterson led the first violins, Per Oman led the seconds in the Holberg Suite and was soloist in the Concerto and Robert Westlund led the violas. Off they went at full tilt in the Concerto. They were taking no prisoners - the youngsters just had to keep up - and they did too. The Concerto was exhilarating, with a thrilling performance by Per Oman, and, though I have lost count of the times I have heard the Holberg Suite, yesterday was special - so natural and so fresh.

Meantime, students at the Northern College in Hilton were hearing a recital of contemporary piano music by Rainer Bürck. I caught up with them at the evening performance, when pianist Bürck was joined by cellist and vocalist Roland Graeter and live-electronics expert Lawrence Casserley. The Trio took us on a sound trip to the outer limits and beyond. Bürck and Graeter improvised freely, producing weird and wonderful sounds which were instantly seized by Casserley, electronically sculptured, then fed back through speakers so that the other two could then respond in turn. The result was a mind-blowing conversation in abstract sound, colours and shapes, between the three performers.






The University of Vermont, 12 November 1996

Jane P. Ambrose, Professor and Chair

It was a pleasure to have composer / pianist Rainer Bürck here as our guest last week. He played a concert and taught a section of our electronic music class. The recital was quite extraordinary. Rainer's own music was the focus, but he also performed the Stockhausen Klavierstück X, surely one of the most difficult pieces in the entire piano repertory. The performance was compelling both in its professionalism and in the skill with which Rainer managed the various "gestures" that are called for in the score. He spoke about all of the pieces to introduce them to the audience, adding an important dimension to the program. The concert thereby became a lecture / demonstration as well, surely the most effective means to educate an audience. I could not attend the morning class as I had a music history class at the same time, but from all accounts it was a very good experience for our students. I recommend Rainer highly as a lecturer and performer.






Reutlinger Generalanzeiger, 17. Oktober 1996

Klang gegen Klang

Rainer Bürcks "Kontraste" in der Münsinger Zehntscheuer

Schon das Ambiente bedeutete einen Kontrast zum herkömmlichen Konzertabend: das alternative Provisorium des Theaterraums der renovierungsbedürftigen Münsinger Zehntscheuer in Dunkel getaucht. Im Zwielicht, das durch die Metallplatten der Kulisse matten Widerschein erfuhr, erahnte man den Aufbau von Originalinstrumenten der Renaissance-Zeit. Programmgemäß hatte man Scarlattis Sonatenschöpfungen im geistigen Ohr parat, als der Lautsprecher ins Dunkel hinein Klänge sendete, Klänge erregter Saiten und Tasten, Schwebungen, flirrend, aufblühend ins Unwirkliche, sich gegenseitig überlagernd und dann doch reduziert, immer klarer auf die Akkordik zielend, auf Scarlatti.

Übergangslos floss dies alles in Schalmeienklang, und das Renaissance-Ensemble "Sonus Ventorum" trat auf: "Saltarello". Bei Leo Häslers Madrigalen, so lieblich musiziert, konnte man sich wieder zu Hause fühlen, zumindest in bekannter Klangwelt. Doch über die Hinführung durch die Suite aus "Danserey" von Tielman Susato brach der neue Kontrast herein: "Metallophonia". Von den Tönen der Pfeiferzunft zu musique concrete der Metallklänge. Frappierend konsequent erzeugen Stäbe, Glocken, Gongs Klang, Schall, Flirren in der Schwingung, erfahren Richtung, bauen sich auf, verklingen, werden von neuem angeregt und verströmen sich in immanenter Rhythmik. Klangebenen, Klangräume kristallisieren sich heraus, Klang pflanzt sich fort, Blech biegt sich, schwingt, und man beginnt, sich in dieser Ästhetik wohl zu fühlen. Der neue Kontrast platz auf: Josquin des Prez, Pierre Certon, Toinot Arbeau und Passerau, die Protagonisten der franzosischen Renaissance mit ihren frivolen Texten, ihren feinen, rhythmisch komplizierten Melodien, ihrer linearen Mehrstimmigkeit, so makellos klar dargestellt in Aufblühen und Verwehen, dass der Eindruck der Verschmelzung der Kontraste sich aufdrängt und "Des Ombres de la Nuit" eher Bestätigung als Gegenspiel zum Vorangegangenen bedeuten. "Schatten der Nacht" - versinnbildlicht in beiden Gegensätzen in Renaissance und Zeitgeist - miteinander verschmolzen zur gültigen Klanglichkeit. Ein hochinteressanter Abend.






SÜDWEST-PRESSE, 15. Oktober 1996

Experimentelle "Metallophonia" und beschwörende Renaissancemusik

Ein Konzertabend mit Rainer Bürck und "Sonus Ventorum" in der Zehntscheuer


Münsingen. In der Veranstaltungsreihe "Zehn Jahre Kunstraum Zehntscheuer" fand am Sonntag der Konzertabend "Kontraste" statt, zu dem sich zirka 30 Zuhörer in der Zehntscheuer einfanden. Der Komponist Rainer Bürck stellte drei modern-experimentelle Stücke elektroakustischer Musik vor, die auf dem Computer aufgezeichnet wurden, und das Ensemble "Sonus Ventorum" beeindruckte im Kontrast durch Madrigale und Suiten aus dem 15. und 16. Jahrhundert, meist auf Französisch gesungen und mit vielfältigen Instrumenten begleitet. Stärkere Gegensätze kann man sich kaum denken: Hier die Kompositionen von Rainer Bürck, im abgedunkelten Theater der Zehntscheuer auf Tonband abgespielt, düstere und leuchtende Sphärenmusik zugleich, dort die sinnlich-diesseitige Trias von Liebe, Musik und Wein der Renaissance.

"Hommage a S... pour S...", eine Zueignung, die im Jahre 1996 komponiert wurde, zeigte Rainer Bürck als versierten Komponisten mit digitalen Computeraufzeichnungen. Zugrunde liegt der Komposition die Sonate K 259 in C-Dur von Domenico Scarlatti, gespielt von Sarah Köster, deren Interpretation Bürck während einer Arbeitswoche seiner Klavierklasse auf Schloss Weikersheim aufgezeichnet hatte. Bürck schreibt dazu: "Die gesamte Interpretation wurde als Sample in das ProTools Harddisk Recording System übertragen und auf dem Macintosh Computer in mannigfaltiger Weise bearbeitet".

Dabei bildet die rhythmische Konstante eine Grundschicht - manchmal ist es ein geradezu furios-dynamisches Tempo - überlagert von mal kurzen, mal längeren Ausschnitten. Besonders schön war das Klavierspiel, das in einem dramatischen Höhepunkt aufbrandete, dann wieder sanft und fast ersterbend verklang in schwebenden Tönen, unterbrochen von einem Trommelwirbel. Bürcks "Metallophonia" lebt ausschließlich von Metallklängen, erzeugt durch alltägliche Gegenstände wie Besteck oder Backblech, aber auch Cymbeln und Gongs. Präzise Komposition und experimentelle Ausführung halten sich dabei die Waage. Dieses Stück hatte seine Uraufführung am 1. Juli 1994 bei der Veranstaltung "Elektronische Nacht" im Wilhelma-Theater in Stuttgart erlebt. Bürcks drittes und letztes Stück "Des Ombres de la Nuit" war in der Esslinger Frauenkirche in einem Orgelexperiment mitten in der Nacht aufgezeichnet worden. Die Kälte dieser Nacht und die Schatten, die Bürck damals erlebte, spiegeln sich in dieser Komposition wieder. Sinnlich und von lebensfroher Diesseitigkeit wurde dann von der Renaissancegruppe "Sonus Ventorum" gesungen und gespielt. Das siebenköpfige Ensemble beeindruckte durch einfühlsamen und zugleich temperamentvollen Vortrag.
Es spielten und sangen: Stephanie Klein (Sopran, Flöten), Helma Hinger (Alt, Windkapselinstrumente), Frank Thomas Eitrich (Tenor, Schlagwerk), Steffen Hinger (Bass, Serpent, Posaune), Susanne Metzger (Flöten) und Christine Waidner (Gambe).
Die Trias von Liebe, Wein und Musik, komponiert unter anderem von Leo Hasler, Daniel Friederici, Pierre Certon, Toinot Arbeau und Passereau, lebte nicht nur von den mit Verve intonierten Suiten und Madrigalen, sondern auch von der an anderer Stelle wieder sanft beschwörend und eindringlich gesungenen Renaissancemusik.

Die Vielfalt der Instrumente trug ein Weiteres zum Gelingen bei. Der Trauer und dem Leid wird in der Renaissancemusik, die hier vorgetragen wurde, eine Absage erteilt. Hingegen rangieren Lebensmut, Frohsinn und pralle Lebendigkeit an erster Stelle. Insgesamt war dies ein sehr kontrastreicher Konzertabend, der auch genaues Hineinhören erforderte und den Musikgenuss nicht zu kurz kommen ließ.






Computer Music Journal, Volume 20, Number 1 (Spring 1996)

Rainer Bürck and Frank Schweizer: Beyond the Physical Scope

Reviewed by Lotte Heppner, New York, New York, USA


This compact disc is a splendid example of the kind of completely independent electronic music being produced today. Of the six compositions on this CD, three are by Rainer Bürck, and three are by Frank Schweizer. Mr. Bürck is active as a composer and pianist of contemporary music, while Mr. Schweizer's main focus is electronic music, either in live performance or on tape. One of the points demonstrated by this album is the high technical level that can be realized in independent studios.

Rainer Bürck's Metallophonia is typical of a new way of working with electronic music, as an art of sampling. In this piece, metallic sounds are transposed using a Roland S-760 sampler, which is controlled in part by a graphic composition program written by the composer for the Atari computer. The result is a clangerous brew that goes beyond the usual sampling cliches.

Frank Schweizer's 11-min Königskinder for two MIDI pianos and computer is a kind of sonic diary. The acoustic materials were developed from piano sounds, pens and pencils on paper, and telephone answering-machine messages. The composition begins realistically - someone is writing on paper. It gradually evolves into a push-and-pull between down-to-earth sonic tableaux and more ethereal spaces - seemingly a reaction of frustrations on the plane of reality.

Trombone Spheres for trombone and tape by Rainer Bürck was composed in 1991 using the PPG Waveterm B computer system. The trombonist, Uwe Django Hödl, has a creative way with his instrument's mouthpiece. The composer's note state the obvious, which is that sometimes the tape and trombone are close in sound, while at other times there is disparity between them. In general, the mood of Trombone Spheres is one of understated obscurity, but 10 min into this 11-min piece, the dialog between tape and trombone reach an explosive crescendo.

Ari for tape, by Frank Schweizer, returns to a more intimate atmosphere. This work, inspired by the hypnotic strains of Korean shamans, features small rustlings and hums. As the program notes explain, "The vibrations of the Korean voice, abstracted and strengthened through the use of a sampler and synthesizer, provide the impetus for the piece. The electronic construction is carried out by multiple oscillating sounds and pulsating movements, and increasing and decreasing sound clusters." Rainer Bürck's Elpia IIa for MIDI piano and computer was composed in 1994. The source sound material is a sampled Steinway grand piano, and the score is again based on the composer's graphic program for Atari computers. The sampled piano, while suffering from certain deficiencies, also offers certain advantages to the composer. The advantages are exploited by Mr. Bürck, especially unnaturally relentless note attacks and microtonal detuning of selected intervals.

The most bizarre composition on this disc is Frank Schweizer's Dialog II for recorder and computer. Bathed in wet reverberation, this 1989 composition, performed live for this disc, is based both sonically and structurally on the singing of whales. The introductory play of the recorder soloist is deployed in real time during the concert. Like a whale leader, "The soloist's performance determines the intensity, development, and duration of the performance" (program notes). The recordist Johannes Fischer contributes a performance that evokes well the songs of these magnificent undersea Earthlings.






Badische Neueste Nachrichten, 8. Dezember 1995

Den Konzertflügel seiner klingenden Würde beraubt

ZKM-Konzert im Karlsruher Stephanssaal mit Rainer Bürck und Robert Rühle /
Visuell-musikalisches von Maciej Walczak


Dass Computer nicht nur den Klang, sondern auch die Funktion eines Instruments verändern konnen, stellte das Zentrum fur Kunst und Medientechnologie (ZKM) als verbindenden Aspekt ins Zentrum des Programms der jüngsten Veranstaltung mit dem Klavierduo Rainer Bürck und Robert Rühle.

So begannen die Pianisten im Karlsruher Stephanssaal an zwei Flügeln mit "Königskinder" von Frank Schweizer, der von einer sehr hübschen Stückidee ausgehend zu einer schon austarierten Komposition fand, bei der pianistischer Gestus freilich für das Publikum kaum im Einklang mit dem zu erwartenden Ergebnis stand. Statt des vermuteten Pianoklangs erzeugte der Druck auf die schwarzen und weißen Tasten Papier- und Stiftgeräusche und späterhin auch Klaviersounds aus dem Sampler. Die Saiten der Steinways waren indes "stumm gemacht", der Flügel zum "Midikeyboard" degradiert und seiner klingenden Würde beraubt.

Anders in Rainer Bürcks "Elpia IIa", das der Komponist selbst vorstellte. Auch bei ihm steuert der Flügel einen Musikcomputer an, der gesampelte und vielfach verfremdete Klavierklänge beisteuert. Diese addieren sich jedoch zum "natürlichen" Spiel des Pianisten und begründen ein auch mit Zufälligkeiten operierendes Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Bürck hat seine häufig reizvoll verstimmte und in Repetitionen verdichtete elektronische Piano-Dimension sorgsam erarbeitet und sich somit eine recht mächtige Erweiterung des konventionellen Klaviers geschaffen. Nicht überzeugen konnte allerdings seine ohnehin nur graphisch notierte Komposition, die allzusehr den Eindruck einer fortschreitenden Demonstration vermittelte.

Als Entdeckung des Abends überraschte der Pole Maciej Walczak, der die Uraufführung seiner visuell-musikalischen "TransACTION" am mit dem Videogroßprojektor verbundenen "Steinzeit"-Heimcomputer von vorneherein als Improvisation angekündigt hatte. Wie er den Kindertagen des Computers entsprungene Strichfiguren und Kritzeleien zu stupid-repetierenden Rhythmen "dreidimensional" auf der Leinwand tanzen lässt, hat viel vom kindlich-faszinierten Spiel mit der bescheidenen Technik bewahrt, das sich beim Betrachter schnell in Staunen übertragt. Adäquat ist der lärmig-geräuschige Soundtrack, der in minimalen Figuren die hypnotische Wirkung der auf Wiederholung angelegten Bildentwicklung in Weiß auf Schwarz unterstützt.

Rainer Bürck und Robert Rühle beschlossen das Programm mit Karlheinz Stockhausens "Mantra", das den Pianisten alle Konzentration abverlangte. Von kleineren Unebenheiten in der rhythmischen Abstimmung abgesehen, präsentierte das Duo eine knappe Fassung des 25 Jahre alten Live-Elektronikklassikers, die in ihrer Spannung zwischen formelhafter Strenge und Lebendigkeit über eine Stunde hinweg fesselte und in der abschließenden Zusammenfassung schier den Atem raubte.






Huddersfield Examiner, 22 November 1993

PIANO DUO: Tim Wright

A sizeable congregation gathered in the warmth of the University Music Department's Recital Hall on Sunday morning to hear a programme of works for two pianos by Rainer Bürck and Robert Rühle.

Of the five pieces, the first four were all UK premiers.

Fading Lights and New Lights, two of a set of three studies by Michael Gorodecki, explore the idea of contrast between brightness and shade. The former is pensive with brusquely changing chords and is notedly monochromatic. Bearing in mind the piano's natural disposition to generate a wealth of tone colours, this is quite a compositional achievement. Gorodecki withholds these colours for the following study, which is vibrant and dramatic.

Dan Roger's exuberant Psycholia was something of a feast. Shifting from conjunct to disjunct rhythmic patterns, the audience were kept on their toes perpetually, as were the performers.

Campaigners against piano abuse were unlikely to have been bowled over by Virginia Scott's Terma. In expressionistic music, long movements are often doomed to failure. However, Scott has succeeded in supporting a large scale structure through a combination of thematic, harmonic and developmental security.

The least contemporary of the pieces played was Gorecki's Five Pieces Op 13 (1959). Written using serial techniques when he was still a student, they display the directness and the clarity which one may expect.

The programme notes to Simon Emmerson's Antiphonies promised much, which was a mistake perhaps. However, Bürck and Rühle were always convincing and engaging, and at times dazzling.






la Repubblica, venerdi 29 octobre 1993

Bürck e Rühle inaugurano Musica Verticale

Il pianoforte elettronico

di DINO VILLATICO

L'Italia sembra decisa a voltare le spalle a tutto cio che costituisce il suo vero patrimonio, la sua vera ricceza, tutta presa dalla volutta dell'effimero, dalla voglia di confermare il confermato. Chi fa cultura e punito, gli si tolgono i soldi. "Musica Verticale" spende poco, solo 35 milioni? Ma allora gliene bastano anche 8. Cosi devono avere ragionato i burocrati, gli stessi che hanno punito anche l'Accademia di Santa Cecilia. Tanto la musica "classica", chi la segue? E quella moderna e contemporanea, poi, figuriamoci: quattro pazzi.

"Musica Verticale" non s'arrende, e con l'aiuto e l'ospitalita del Goethe Institut, anche quest'anno porta in cantiere la sua stagione di musica elettronica. Il primo concerto si e tenuto all'auditorio del Goethe Institut: i pianisti Rainer Bürck e Robert Rühle hanno interpretato tre pagine diversamente significative del modo in cui si puo mettere in rapporto uno strumento come il pianoforte con l'elaborazione elettronica del suono, sia registrata che "live".

Il primo pezzo e una novita assoluta di Laura Bianchini Opposti Polari, nel quale si sarebbero dovute ascoltare appunto le convergenze sonore di due diversi fonti del suono, quella strumentale e quella elettronica live. Ma il sistema live e rimasto neutralizzato da un piccolo incidente, cosi cio che si e ascoltato e solo la parte pianistica: abbastanza per capire la finezza della scrittura e la delicatezza dei rapporti musicali della parti, ma poco poi per capire l'interazione col suono rielaborato elettronicamente. Aspettiamo dunque una prossima esecuzione completa, per poter cogliere appieno il significato della pagina.

Seguiva un branco di uno dei due pianisti: Transformation K di Rainer Bürck. La musica e d'effetto talora forse perfino troppo d'effetto. Ma e costruita con coerenza, e gli effetti non sono banali. Al pubblico, assai folto e piaciuta, segno che poi i quattro gatti che vanno ad ascoltare la musica di oggi non sono proprio quattro e ci provano anche piacere, se ne accorgano o no i burocrati ministeriali. Chiudeva la bella serata un pezzo famoso, scritto benissimo da uno dei piu grandi musicisti del secolo: Mantra di Karlheinz Stockhausen. Settanta minuti senza cedimenti, tesi, densi, intriganti. Bravissimi i due giovanni interpreti, entusiassi gli ascoltatori.

E'veramente bello, una volta tanto, sentirsi in sintonia col proprio tempo. Almeno con la musica del proprio tempo.






The Scotsman, 10 March 1993

MANTRA

Reid Hall, Edinburgh

This rare performance of Karlheinz Stockhausen's Mantra was given by two accomplished young German pianists, Rainer Bürck and Robert Rühle, assisted by Peter Nelson on electronics. Strangely, given such a complex work, there was nothing at all by way of a programme note, although Nelson gave a brief spoken introduction in which he explained the significance of the sine-wave generators linked to the pianos, which both alter their sonority, and set up complementary harmonics against the music.

Mantra, written in 1970, departed from Stockhausen's quasi-improvisatory methods of the previous decade in being entirely notated. It is based on a 13-note melodic motif or "formula", stated at the beginning, which provides the subject matter of the entire 65-minute work, although it would take a remarkably good ear to note all the relationships without a study score.

The work takes its name from the Buddhist repeated prayer known as a mantra, but if the inspiration lies in Eastern philosophy, the musical methods are Western, notably serialism.

The form is sequential, with an overall sense of development, but does not make use of repetition to establish motifs in more traditional fashion.

The pianists set about its manifold challenges - which include a brief passage of synchronized movement and shouting, as well as flurries of percussion - with relish, and once the ear had adjusted to the bizarre sonorities generated by the wave-assisted pianos, it proved a compelling performance. Despite Mantra's tranquil associations, it is often a tempestuous prayer, and, notably in the rippling, rhythmic cross-hand figures of the penultimate section, a highly exuberant one.

Kenny Mathieson